16. February 2009

Klagen gegen Studiengebühren: Juristische Niederlage, politischer Sieg

Verwaltungsgerichtshof Mannheim hält Studiengebühren nicht für verfassungswidrig – Studierende kündigen Revision an


Die Studierenden in Baden-Württemberg haben sich aufgemacht, das Gesetz zur Einführung von Studiengebühren vor dem Bundesverfassungsgericht zu kippen. Dafür ist der Zug durch die Instanzen erforderlich. Mit dem Mannheimer Urteil wurde die nächste Hürde auf dem Weg nach Karlsruhe genommen.

Nachdem am Donnerstag die mündliche Verhandlung der Klagen gegen Studiengebühren stattfand, wurde heute das Urteil verkündet: Die Richter am Verwaltungsgerichtshof halten Studiengebühren für verfassungsmäßig. Eigentlich bedeutet das nur, dass sie nicht vollkommen von der Verfassungswidrigkeit der Studiengebühren überzeugt sind, denn das wäre nötig gewesen, damit sie den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen. So blieb ihnen nur die Abweisung der Klage.

Angesichts der rechtlichen Komplexität und politischen Brisanz des Themas – für das Land geht es um Einnahmen durch Studiengebühren im dreistelligen Millionenbereich pro Jahr – ist diese Entscheidung daher nicht verwunderlich.

Trotz dieser eindeutigen Vorzeichen zeigte sich während der Verhandlung am 12.2.2009 schnell, warum die Studierenden davon überzeugt sind, das Studiengebührengesetz vor den Gerichten zu Fall zu bringen.

Die Vorträge der Kläger brachten die Gegenseite immer wieder in erhebliche Erklärungsnot. Mit ihrem gefestigten Standpunkt, Studiengebühren seien sozial verträglich und nicht abschreckend, wirkte die Gegenseite fast ein wenig lächerlich. Tatsächlich ging es um die Frage, ob die Schwelle der sozialen Folgen überschritten wurde, also der Abschreckungseffekt und die Diskriminierung finanziell Schwächerer, ab der ein Verstoß gegen höherranginges Recht – den UN-Sozialpakt und das Grundgesetz –vorliegt.

„Es ist schade, dass der Fall nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde. Verfassungsrechtliche Zweifel waren dem Gericht durchaus anzumerken, aber Zweifel allein reichen eben nicht aus“, sagt Jean Michael Kramer vom landesweiten AK Klage, der für die Organisation und Koordination der Klagen verantwortlich ist. Zur Direktvorlage in Karlsruhe müssen die Richter von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein. Wären die Richter im Gegenzug von der Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren überzeugt, hätten sie auch die Revision nicht zugelassen. „Da sie aber zugelassen ist, bestärkt es uns in unserer Überzeugung, auf dem Rechtsweg etwas gegen Studiengebühren bewirken zu können“ schließt Kramer ab.

Insgesamt wurden vier der landesweit knapp 3000 Klagen exemplarisch verhandelt. Eine der Kläger ist eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die Studiengebühren zahlen und hierfür ein Darlehen aufnehmen musste. „Es gibt unzählige Fälle, an denen man die sozialen Folgen von Studiengebühren sehen kann“, bemerkt Albrecht Vorster, Sprecher der Landestudierendenvertretung (LandesAstenkonferenz Baden-Württemberg – LAK). „Umso schlimmer ist es, dass anscheinend nicht nur die Regierung, sondern auch die Gerichte ihre Augen vor der bildungspolitischen Wirklichkeit in Deutschland verschließen. Dabei ist mittlerweile bewiesen, dass es sozial verträgliche Studiengebühren nicht gibt und niemals geben kann.“

Politisch ist die Novellierung des Landeshochschulgebührengesetzes (LHGebG) als voller Erfolg zu werten. Die Landesregierung hat damit eingestanden, dass Studiengebühren z.B. für kinderreiche Familien eine schwere Belastung darstellen und potentielle Studierende von der Studienaufnahme abhalten. „Die schnellen und umfangreichen Änderungen des LHGebG wären ohne den Druck durch die laufenden Verfahren nie entstanden und zwingen die Landesregierung entgegen ihrer eigentlichen Pläne zu handeln,“ kommentiert Kramer die Reaktion der Landesregierung.

Im Ergebnis steht dennoch die Klageabweisung durch die Mannheimer Richter. Ins Stocken kommt der juristische Widerstand gegen Studiengebühren dadurch aber nicht. Ob Revision letztendlich eingelegt wird, hängt neben der Prüfung des schriftlichen Urteils u.a. auch von der Finanzierbarkeit der Fortführung der Klagen ab.

„Uns geht es darum, Studiengebühren auf jedem erdenkbaren Wege anzugreifen und deren Befürwortern argumentativ entgegenzutreten. Die gerichtliche Auseinandersetzung bietet diese Möglichkeit. Wir hoffen, mittels unserer Klagen dem bildungspolitisch katastrophalen Treiben der Landesregierung klare rechtliche Grenzen aufzwingen zu können,“ sagt Jean Michael Kramer über die Ziele des AK Klage.

Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts würden diese Grenzen nicht nur für Baden-Württemberg, sondern für alle Länder der Bundesrepublik Deutschland gelten.

 


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